Allgemeines
„Bypass“ oder „Ballon-Dilatation“?
Wenn die Koronarangiographie schwere Einengungen (Stenosen) an Herzkranzgefäßen zeigt, die Brustenge (Angina pectoris) verursachen, die Leistungsfähigkeit einschränken und/oder den Patienten bedrohen, dann wird je nach der Besonderheit des Falles entschieden, ob a) eine Ballon-Dilatation mit anschließender Stent-Implantation zur Besserung oder Heilung der Angina pectoris durchgeführt werden soll oder b) eine Bypass-Operation.
Neben dieser reinen Behandlung auf Grund einer Beschwerdesymptomatik (Angina Pectoris) wird heutzutage ein objektivierter Nachweis einer relevanten Durchblutungsstörung gefordert. Diese kann im Vorfeld stattfinden z.B. über ein Herz-MRT, eine Herz-Szintigrafie. Oder dieser Nachweis kann während der Herzkatheteruntersuchung mit soggenanten Druckdraht-Messungen oder auch über Darstellungen mit Ultraschall (IVUS – Intravaskulärer Ultraschall) oder mit speziellem Licht (OCT – Optische Kohärenztomografie) geführt werden.
In den meisten Fällen kann heute eine Bypass-Operation vermieden werden. Es wird statt dessen eine Ballon-Dilatation (auch genannt: Percutane transluminale koronare Angioplastik = PTCA) empfohlen, wenn die Herzkatheterisierung unter Berücksichtigung der anderen Untersuchungsergebnisse ergab, dass ein oder mehrere Engpässe mit dem Ballonkatheter gedehnt oder auch Gefäßverschlüsse wiedereröffnet werden können.
Die PTCA ist die 1977 eingeführte Methode zur instrumentellen Erweiterung arteriosklerotisch verengter Koronararterien mittels eines Ballonkatheters.
Hauptindikation ist heute die Angina pectoris bei begleitender, nachgewiesenen Durchblutungsstörung (Ischaemie) sowie die Formen des akuten Coronarsyndroms und auch des Herzinfarktes.
Spezielles
Die Technik der Ballon-Dilatation
Zusammenfassung des praktischen Vorgehens bei der Ballon-Dilatation:
- Nach der Angiographie (Kontrastmitteldarstellung der Herzkranzgefäße) wird ein Führungsdraht für den Ballon und evtl. Stent im betroffenen Coronargefäß platziert.
- Ein Ballon mit oder ohne Stent und 2,0 bis etwa 4,5 mm Durchmesser wird mit einem Druck von 4 bis max. 20 atü entfaltet.
- Die Dilatationszeit beträgt zwischen 20 und 60 Sekunden.
- Die PTCA geschieht unter Heparinisierung des Patienten.
- Das Kunststoffröhrchen in der Leiste wird mit einem Verschluss-System entfernt, hierdurch verkürzt sich die Liegezeit nach dem Eingriff auf durchschnittlich 6 Stunden. Nach einer PTCA über die Handgelenksarterie ist eine Mobilisation direkt nach dem Eingriff möglich.
Über die Arteria femoralis (Leiste) oder die A. radialis (Handgelenk) wird unter Röntgenkontrolle ein Führungskatheter in den Beginn der linken oder rechten Koronararterie eingebracht und zunächst die Stenose mit Kontrastmittel dargestellt.
Nach Vorschieben eines Führungsdrahts zur richtigen Platzierung des Ballonkatheters wird im Bereich der Stenose der am Ende des Katheters befindliche Ballon aufgeblasen und die betreffenden arteriosklerotischen Plaque komprimiert; hierdurch wird wieder ein freier Blutdurchfluss hergestellt. Je nach Gefäßsituation wird häufig ohne Vordehnung bereits primär ein Stent, eine Gefäßstütze aus sehr feinem Edelstahlgeflecht implantiert. Diese Stütze hilft zu verhindern, dass sich die geweiteten Gefäßabschnitte wieder elastisch verengen und gewährleistet zudem auch bessere Langzeiterfolge der Aufweitung von Herzkranzgefäßen.
Fast ausschließlich setzen wir heute mit Medikamenten beschichtete DES-Stents (drug-eluting-stents) im Gegensatz zu nicht beschichteten Stents (bare-metal-stents) ein, die das Risiko einer Wiederverengung (Re-Stenose) auf < 10 % reduzieren, allerdings auch die Notwendigkeit einer intensivierten Blutverdünnung (duale Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern) nach dem Eingriff von 1 bis 3 Monaten bei nicht beschichteten Stents auf meist 6 Monate, nach akuten Herzinfarkten auf 12 Monate erhöhen.
In besonderen Fällen kommen heute auch mit Medikamenten beschichtete Ballons ohne Stent oder sich selbst nach gewisser Zeit auflösende Stents aus bioresorbierbarem Materialien (sog. Scaffolds) zum Einsatz. Die Limitationen für die letztgenannten Stents sind allerdings noch erheblich, eine Verwendung kann derzeit nicht empfohlen werden.
Meist können die Patienten nach einer Überwachungsphase von 24h nach dem Eingriff wieder nach Hause entlassen werden. Sollten sich die nach einer PTCA erweiterten Gefäße nach einiger Zeit wieder verengen, damit ist in ca. 10 bis 20 % der Fälle zu rechnen, so ist dies meist innerhalb der ersten 3 bis 6 Monate nach dem Eingriff der Fall. In diesem Zeitraum sind daher wiederholte Kontrollen des Gesundheitszustandes vor allem auch mit Durchführung eines Belastungs-EKGs erforderlich. Nach diesem Zeitraum sind erneute Engstellen im gedehnten Bereich selten. Gegebenenfalls ist bei einem Rezidiv der Einengung auch ein nochmaliger Eingriff ohne erhöhte Komplikationen möglich.
Wie hoch ist das Risiko für diesen Eingriff?
Das Risiko für tödliche Komplikationen und Infarkte liegt derzeit in großen Studien bei 0,4 %. Das Risiko einer unbehandelten koronaren Herzerkrankung liegt im hohen Prozentbereich. In sehr seltenen Fällen kann unmittelbar im Anschluss an die PTCA eine Bypass-Operation notwendig werden.
Die Filmsequenz zeigt einen Verschluss der rechten Herzkranzarterie durch ein Gerinnsel bei einem 50-jährigen Patienten, der zwei Wochen zuvor eine nächtliche Angina pectoris erlebte.
Hier nun das große wiedereröffnete Gefäß, der Patient ist seither im Alltag beschwerdefrei belastbar.